
Die hepatische Enzephalopathie (HE) ist eine leberbedingte Funktionsstörung des Gehirns. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet „durch die Leber verursachte Erkrankung des Gehirns“. Er umfasst alle Störungen der Hirnfunktion, die mit akuten oder chronischen Lebererkrankungen (z. B. Leberzirrhose) einhergehen. Die Störungen entstehen, weil die Leber zu sehr geschädigt ist, um den Körper zu entgiften. Diese Erkrankung kann über längere Zeit bestehen bleiben. Das heißt: Sie geht nicht von selbst weg, sondern muss gezielt behandelt werden.
Ursachen
An der HE sind mehrere Prozesse im Körper beteiligt. Insbesondere kann die betroffene Leber nicht mehr ausreichend für die Entgiftung von Ammoniak sorgen. Ammoniak entsteht durch Stoffwechselvorgänge vor allem im Darm, in der Muskulatur und in den Nieren, z. B. bei der Verdauung von Nahrungsproteinen. Wenn die Leber nicht mehr ausreichend arbeitet, gelangt Ammoniak über die Blutbahn ins Gehirn. Das führt zu einer zunehmenden Vergiftung und in der Folge zur Störung der Gehirnfunktion und Veränderung des psychischen Zustands.
Hyperammonämie und HE
Symptome
Die Symptome der hepatischen Enzephalopathie (HE) variieren je nach Stadium der Erkrankung. Sie reichen von vergleichsweise milden Symptomen wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen und Bewusstseinsstörungen sowie zum lebensbedrohlichen Leberkoma.
Bereits das Anfangsstadium der HE (verdeckte hepatische Enzephalopathie, CHE) mit seinen relativ harmlosen Symptomen sollte sehr ernst genommen werden. Die Symptome einer verdeckten HE sind bereits bei etwa 60-70% aller Patienten mit Leberzirrhose nachweisbar.
Seien Sie daher besonders aufmerksam, wenn Sie die folgenden Anzeichen einer hepatischen Enzephalopathie bemerken. Denn dann ist eine weitere medizinische Abklärung und Behandlung dringend notwendig, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.:
- Nachlassende Konzentrationsfähigkeit
- Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses
- Eingeschränkte feinmotorische Fähigkeiten
- Abnehmende Reaktionsfähigkeit
- Stimmungsschwankungen und Charakterveränderungen
- Insbesondere wenn diese Symptome mit einer chronischen Lebererkrankung (meist Zirrhose) einhergehen, muss die Diagnose einer hepatischen Enzephalopathie in Betracht gezogen werden. Weitere Untersuchungen helfen, die Diagnose zu bestätigen.
Diagnose
Experten gehen davon aus, dass chronische Lebererkrankungen wie Fettleber oder Leberzirrhose sehr häufig zu einer HE führen. Da einer HE immer eine Lebererkrankung zugrunde liegt, müssen sowohl die Lebererkrankung als auch die HE behandelt werden. Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig: Je früher die HE diagnostiziert und behandelt wird, desto weniger kann die Krankheit fortschreiten und desto besser können die Symptome, die Lebensqualität und der Allgemeinzustand des Patienten kontrolliert werden.
Klinische Symptome sind eine wichtige Grundlage für die Diagnose und helfen, den Schweregrad der Symptome zu beurteilen und therapeutische Entscheidungen zu treffen:
| HE-Graduierung | Klinische Symptome |
|---|---|
| Grad 0 | ohne Abnormalitäten |
| Grad 1 | mentale Verlangsamung, Antriebsstörung, Konzentrationsschwäche, Schlafbedürfnis, Störung der Feinmotorik (z. B. Schriftbildveränderung) |
| Grad 2 | starke Müdigkeit, Lethargie, zeitlich desorientiert, verwaschene Sprache, unwillkürliche flatternde Bewegungen der Hände |
| Grad 3 | starke Müdigkeit oder Benommenheit, zeitlich und örtlich desorientiert, unzusammenhängende Sprache, hängende Sprache, unregelmäßiges Zittern der Hände, Krämpfe, Muskelsteife |
| Grad 4 | Koma, Muskeleigenreflexe erloschen, Muskelsteife |
Psychometrische Tests haben sich bewährt, um den geistigen Zustand wie Konzentration und Feinmotorik genauer zu bestimmen. Ein Beispiel ist der sogenannte „Zahlenverbindungstest“, den Sie auf dieser Website durchführen können.
Neurologische Untersuchungen wie die kritische Flimmerfrequenzanalyse (CFF) oder die Elektroenzephalographie (EEG) werden in Kliniken oder spezialisierten Leberzentren durchgeführt.
Blutuntersuchungen sind für die Diagnose von HE nicht vorrangig. Die Bestimmung von Ammoniak im Blut ist schwierig und mit Fehlerquellen verbunden (die Probe muss bis zur Analyse sofort gekühlt werden). Sie sind jedoch sehr hilfreich für die Diagnose und die Überwachung der zugrunde liegenden Lebererkrankung.
Therapie
Ziel der Behandlung: Ammoniak im Blut senken
Bei einer hepatischen Enzephalopathie (HE) ist das Hauptziel der Therapie, den Ammoniak im Körper unschädlich zu machen, bevor er das Gehirn erreicht – unabhängig davon, wie stark die Leber geschädigt ist.
Wie kann man den Ammoniakspiegel senken?
- Entgiftung in der Leber fördern: Die Leber hilft dabei, Ammoniak abzubauen – egal, wo er im Körper entsteht.
- Weniger Ammoniak im Darm bilden und verhindern, dass er ins Blut aufgenommen wird.
Wie wirken zugelassene Medikamente?
- L-ornithin L-aspartat unterstützt die Leber bei der Entgiftung von Ammoniak aus dem ganzen Körper.
- Lactulose verringert die Bildung und Aufnahme von Ammoniak im Darm.
- Schwer resorbierbare Antibiotika wirken im Darm und beeinflussen die Darmflora, können aber auch Nebenwirkungen haben.
Wichtig: Gute Verträglichkeit, denn solange eine fortgeschrittene Lebererkrankung besteht, kann HE immer wieder auftreten – manchmal auch dauerhaft. Deshalb sollte die Therapie:
- einfach anzuwenden sein
- gut verträglich sein
- möglichst keine Nebenwirkungen verursachen
Die Darmflora spielt eine Rolle
Neue Studien zeigen: Die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom) beeinflusst den Verlauf vieler Krankheiten. Deshalb ist eine mikrobiomfreundliche Therapie wichtig. Manche Antibiotika können die Darmflora verändern – das wird aktuell intensiv erforscht.
Ernährung ist entscheidend
Viele Patient:innen mit chronischer Lebererkrankung und HE leiden unter:
- Appetitlosigkeit
- Geschmacksstörungen
- Schnellem Sättigungsgefühl
Gleichzeitig braucht der Körper mehr Energie und Eiweiß. Mangelernährung kann auch bei Übergewicht auftreten. Deshalb ist eine aktive Ernährungstherapie sinnvoll und wichtig.